Erhören wir den Weckruf der Mayas?
Unser Guide Nathanel klatscht in die Hände. Als Echo hallt der Ton eines Vogels zurück. «Dies ist der Ton des Quetzals, des Nationalvogels von Guatemala!» erklärt er uns. Wir stehen in der Mitte zwischen zwei grossen Tempeln der Mayaruinen von Tikal im Norden Guatemalas. Gemäss Nathanael, haben die Mayas diese Tempel exakt so geplant, dass sie diesen Ton des Quetzals beim Klatschen als Echo wiedergeben. Was für eine Genialität! Wie war dies nur möglich? Wir fragen Nathanel auch, warum die Mayastadt verlassen wurde. «Die Mayas waren Opfer ihres eigenen Erfolgs», meint er. Das Gleiche hat uns bereits Eric in der ATM-Cave in Belize gesagt, sowie auch ein Guide bei den Ruinen von Palenque, Mexiko. Anscheinend sei die Bevölkerung in den grossen Städten so stark gewachsen, dass es mit der Zeit nicht mehr genug Ressourcen wie Wasser und Essen zur Verfügung gab. So seien dann die grossen Städte zuerst verlassen worden, da sich die Leute auf die Suche nach neuen Ressourcen begeben haben. Viele Zeichen dieser Not und Verzweiflung sind in der ATM-Cave in Belize ersichtlich. Gemäss unserem Guide Eric seien dort die Mayas in der Verzweiflung der Wassernot in die Höhle gegangen, im Glauben, dass dort das Wasser herkommt. Mit immer grauenhafteren Opfergaben, wie z.B. auch Kinder und Jugendliche versuchten sie verzweifelt zu erreichen, dass sie ihre Götter endlich erhören und ihnen Wasser geben. Die vielen zerbrochenen Krüge, Knochen und Skelette in der Höhle und die Farbveränderungen an der Decke der Höhle durch den Rauch, sollen diese These gemäss Eric bestätigen.
Bei den Ruinen von Palenque erklärt unser Guide zudem, dass für den Palast von Pakal, dem damaligen Herrscher, auch sehr viel Wald abgeholzt werden musste. Es sei viel Holz als Brennmaterial zur Herstellung einer Art von Zement benötigt worden. Der Hauptteil der Ressourcen sei also insgesamt zum Bau der Paläste und Tempel einiger weniger Herrscher und Angehörigen der noblen Schicht verwendet worden.
Bald einmal seien dann Kämpfe um die verbleibenden Ressourcen zwischen den Herrschern der Maya Städten ausgebrochen, so dass diese ihre Regierungsaufgaben nicht mehr wahrnehmen konnten. So seien die Paläste und Tempel (zu denen nur die noble Schicht Zugang hatte) schrittweise verlassen worden und es habe immer mehr Anarchie geherrscht. Es gibt somit viele Hinweise, dass vermutlich vor allem der Grössenwahn der Herrscher schliesslich zum Untergang dieser genialen Zivilisation geführt hat.
Es scheint als gebe es auch in unserer heutigen Situation viele Parallelen mit der Mayakultur: so z.B. dass die Bevölkerung stetig steigt, dass Regierungen beginnen Krieg um die verbleibenden Ressourcen zu führen und dass einige Wenige den grössten Teil der Ressourcen der Erde verbrauchen.
Das Echo des Quetzals in den Ruinen von Tikal nahmen wir aus diesem Grund wie eine Art Weckruf wahr: Einen Weckruf, der uns daran erinnern soll, dass wir aus der Geschichte der Mayakultur lernen können. Dass wir, wenn wir so weitermachen, genauso Opfer unseres eigenen Erfolgs werden und unsere Zivilisation dadurch zugrunde gehen könnte. Vor allem aber auch, dass wir mit einem bewussteren Leben unsere Zivilisation retten können.
Bleiben wir weiterhin taub oder erhören wir den Weckruf der Mayas?
PS: Dieser Beitrag ist nur eine Zusammenfassung dessen, was wir durch verschiedene Guides und von der lokalen Bevölkerung mitbekommen haben. Dieser Beitrag hat keinen Anspruch auf vollständige Korrektheit
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Tamara
Wahre Worte in einem tollen Beitrag verpackt! Regt zum Nachdenken an. Finde ich sehr interessant, dass die Mayas die Stadt wegen zu wenig Ressourcen verlassen haben. LG
welt-erfahren
Liebe Tamara
Herzlichen Dank für deinen Kommentar und das Feedback!
LG Leo