Wie das Curry auf der Busfahrt von San Cristobal nach Puerto Escondido in die Freiheit wollte
Wir geniessen unser letztes Abendessen in San Cristobal. Die letzten Medikamente gegen die Parasiten und die Salmonellen in unseren Bäuchen haben wir geschluckt. Fast 3 Wochen haben wir in San Cristobal verbracht, nun sind wir bereit um weiterzuziehen. Um 22:00 fährt unser Bus nach Puerto Escondido und wir freuen uns auf die rund 12 Stunden lange Busfahrt: Wir stellen uns vor, wie wir gemütlich ein Hörbuch hören und dann auf unseren Sitzen zum beruhigenden Fahrgeräusch schlafen und am nächsten Morgen frisch fröhlich am Meer wieder aufwachen. Doch es kam alles anders…
Die Busfahrt nach Puerto Escondido: komplett anders als erwartet
Der Busfahrer setzt den Bus um rund 22:00 ziemlich zackig in Bewegung. Es schwenkt uns auf dem Sitz nach links und rechts: mal fliegt Sarah fast vom Sitz, mal drückt es uns beide ans Fenster. Doch die Strasse ist nicht nur kurvenreich sondern auch holprig mit vielen künstlichen Bodenwellen, die der Busfahrer häufig etwas spät sieht und dann relativ abrupt bremsen muss. Wir werden also ganz schön durchgeschüttelt und damit auch unsere Mägen.
Bald kommt Reue auf: „hätte ich doch nicht so viel zum Abendessen gegessen..und hätte ich doch kein Curry ausgewählt!!“ Und während ich mir das so überlege, habe ich das Gefühl, dass sich das Curry immer näher zum Hals bewegt und schreit: „ich will raus, ich will raus! Lass mich aus dem Magen in die Freiheit!“
An Schlafen ist somit nicht zu denken, denn ich muss mich darauf konzentrieren, dass das Curry dort bleibt wo es ist. Doch dies wird zu einer immer grösser werdenden Herausforderung. Schliesslich erhöre ich den Wunsch des Currys im Magen, gebe nach und laufe im Eiltempo den schlafenden (schlafen sie wirklich??) Mitfahrern vorbei nach hinten, wo sich die Bustoilette befindet. Ich greife nach dem Griff der Türe und *BAM* knallt mir diese an die Stirn, den unser Bus hat gerade die nächste Kurve gemeistert. Doch etwas Positives hat die aufknallende Türe: die Toilette ist FREI!! Den einen Plan B gibt es gerade nicht: weit und breit ist kein Plastiksack in Sicht, in den ich das Curry in die Freiheit lassen könnte! Also mache ich einen Schritt in die Toilette hinein, halte mich mit der linken Hand an irgendeinem Griff und schnappe mir die Tür abermals, aber diesmal von innen. Wie auch beim Klettern gibt mir diese 3 Punkte-Auflage (linker Fuss, rechte und linke Hand) auch hier in der Toilette eines fahrenden Busses in Mexiko eine gewisse Stabilität. Die Stabilität, die ich brauche um mit beiden Füssen in die Toilette zu gelangen und die Tür wieder von innen zu verschliessen.
Nun will das Curry wirklich in die Freiheit
So, jetzt bin ich zwar in Sicherheit, doch so richtig gemütlich will es nicht werden, den die Geduld des Currys in meinem Bauch scheint nun am Ende und fliegt gleich schwallartig in die Schüssel.
Dieses Spiel wiederholt sich in dieser Nacht noch einige Male und ich werde Stammgast auf der Bustoilette, als schon fast ein Gold-Member! Und wenn sich nicht gerade wieder ein verlorener Rest des Currys in meinem Magen zu Wort meldet, dann werden wir durch eine Polizeidurchsuchung im Bus wachgehalten. Oder dann informiert uns der Busfahrer um ca. 03:30, dass wir nun für 30 Min. eine Kafipause machen und etwas zu Essen kaufen können.
Boah, Kaffee? Essen? Klingt verlockend, aber mein Magen meldet sich mit einem charmanten „nein danke!“. Und schon bald ist 09:00 morgens und ich soll meine nächste Parasiten-Pille einwerfen?! Klingt auch nicht gerade verlockend. Schlussendlich kommen wir aber irgendwann nach 11:00 an. Die Schweiz hat schon lange gegen Schweden verloren, mein Magen ist leer und ich verspüre kein Bedürfnis, ihn wieder zu füllen.
Happy End
Ein hoffnungsloser Tag? Wohl kaum. Wir checken in einem schönen Hostel ein und ich bin einfach dankbar, dass ich für eine Weile einfach in ein Bett liegen kann, dass sich weder nach rechts und links bewegt und auch nicht holpert. Wie herrlich!! Gegen Abend kommt bereits wieder mehr Energie auf und wir geniessen ein erfrischendes Bad in den Wellen von Puerto Escondido.
Ich weiss nicht wer der Übeltäter war? War es das Curry? War es die Parasiten-Pille oder das Antibiotikum? Oder etwa ein neuer Parasit? Oder einfach die kurvige Bussfahrt? Ich weiss es nicht und eigentlich ist es auch egal. Ich weiss nur, dass ich vor der nächsten Busfahrt mich beim Abendessen etwas mehr zurückhalten würde: das ist eine Win-Win-Situation für meinen Magen und für mich!
Doch irgendwie hatte die Busfahrt auch etwas Gutes: Ich realisiere wieder einmal, wie schön es ist, wenn es mir einfach gut geht und ich werde mir bewusst, dass dies nicht selbstverständlich ist.
Leander
– welt-erfahren –
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